Das Ende des Untersuchungsausschusses ist nicht das Ende der Auseinandersetzung mit dem NSU-Komplex

Der Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zu den Morden des so genannten „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) wird keinen gemeinsamen Abschlussbericht aller Fraktionen vorlegen. Das ist das Ergebnis der letzten Sitzung des Ausschusses, die heute in Wiesbaden stattgefunden hat. Nach langen Gesprächen besteht zwar zwischen allen Fraktionen ein Konsens über die Präambel des Berichts, doch sowohl über die Sachverhaltsdarstellung als auch über die Bewertung der ermittelten Sachverhalte herrscht zwischen den Oppositionsparteien und den Regierungsfraktionen von CDU und Grünen Dissens.

Die Obfrau der SPD im Ausschuss, Nancy Faeser, sagte, ein gemeinsamer Bericht aller im Landtag vertretenen Fraktionen sei letztlich daran gescheitert, dass die Regierungsparteien CDU und Grüne sich geweigert hätten, die Verantwortung der damals Handelnden klar zu benennen. „Das betrifft vor allem die Rolle von Volker Bouffier im Jahr 2006 und danach, der damals als Innenminister V-Leuten des Verfassungsschutzes untersagt hat, vor den Ermittlern auszusagen, die den Mord an Halit Yozgat aufklären wollten. Dadurch wurden die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft erheblich behindert. Die beiden Regierungsfraktionen beharren darauf, das Bouffier in der Rückschau aus einer Vielzahl von Sachzwängen und Geheimhaltungsgründen gar nicht anders entscheiden konnte, als die Aussagegenehmigungen zu verweigern. Dabei haben sich durch die Arbeit des Untersuchungsausschusses klare Hinweise ergeben, dass eine andere Entscheidung möglich und aus unserer Sicht auch nötig gewesen wäre – wenn es der damalige Innenminister Bouffier denn gewollt hätte“, sagte Faeser.

Auch in einer Reihe anderer Fragen bestehe Dissens, berichtete die SPD-Obfrau. So habe der Ausschuss nicht abschließend klären können, ob der damalige Verfassungsschützer Andreas Temme zum Zeitpunkt des Mordes an Halit Yozgat am Tatort anwesend war. Faeser sagte: „Wir haben unterschiedliche Versionen darüber gehört. Es gibt deutliche Hinweise, dass Temme da war. Und es gibt Zeugen, die sagen, sie hätten Temme nicht gesehen. Das muss man dann eben auch so in den Bericht schreiben. Aber die Mehrheitsfraktionen sehen das anders, Sie gehen davon aus, dass er eher nicht am Tatort war.“

Insgesamt, so die SPD-Politikerin, sei die Arbeit des Untersuchungsausschusses von der Landesregierung über die gesamten vier Jahre behindert worden. Viele Akten seien dem Ausschuss verzögert zugeleitet worden, selbst jetzt träfen noch kleckerweise Unterlagen ein. Auch durch umfangreiche Textschwärzungen und hohe Geheimeinstufungen sei die öffentliche Aufklärung immer wieder behindert worden. Faeser sagte: „Der Wille zur Aufklärung war und ist bei der Landesregierung nicht vorhanden. Das Innenministerium und die Staatskanzlei haben kein Interesse daran gezeigt, unsere Arbeit zu unterstützen. Dabei gab es viele Auffälligkeiten und Merkwürdigkeiten insbesondere beim Landesamt für Verfassungsschutz und im Innenministerium, die dringend geklärt werden mussten. Umso bedauerlicher ist es, dass die Vertreter der Regierungsfraktionen im Ausschuss immer wieder den Eindruck erweckt haben, wichtiger als die Aufklärung von Fehlentscheidungen und Behördenversagen sei ihnen die Reinwaschung des damals verantwortlichen Innenministers Bouffier.“

Ungeachtet der politischen Widrigkeiten habe der Ausschuss aber Vieles erhellen können, was zuvor unbeachtet geblieben sei, so Nancy Faeser. Beispielsweise habe man aufdecken können, wie intensiv die rechte Szene Hessens mit Gesinnungsgenossen in anderen Bundesländern vernetzt gewesen sei. „Wir sind da auf ein Netzwerk von teilweise gewaltbereiten Rechten gestoßen, dessen Existenz der Verfassungsschutz entweder nicht gesehen hat oder nicht zur Kenntnis nehmen wollte. Daraus konnten wir Überlegungen ableiten, wie sich die Präventionsarbeit gegen Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus stärken und verbessern lässt“, sagte Faeser.

Das Ende der Ausschussarbeit bedeute aber nicht das Ende der Beschäftigung mit dem NSU-Komplex. Vielmehr müsse weiter daran gearbeitet werden, das Dunkelfeld hinter den NSU-Morden auszuleuchten. „Deshalb hat die SPD mit den Institutionen, die den Untersuchungsausschuss begleitet haben, mit Journalisten und Akteuren aus der Zivilgesellschaft einen Runden Tisch gebildet. Die Arbeit wird noch lange weitergehen“, so Nancy Faeser.

Der Ausschuss wird sich nächste Woche am Rande der Plenarsitzung des Hessischen Landtags noch einmal treffen, um Handlungsempfehlungen für die Zukunft gemeinsam zu erarbeiten. Die SPD hat hierzu bereits Anmerkungen gemacht, die auch mit den zivilen Akteuren besprochen waren.